Stress nein Danke, Teil 2: Ein Beispiel

OrgelpfeifenEin Beispiel aus meiner Praxis soll veranschaulichen, wie Stress entsteht und wie Sie ihn auflösen können. Ich erzähle Ihnen ein wenig von einer 8 Jahre alten Klientin, die kürzlich hier war. Es kommt zwar eher selten vor, jedoch hin und wieder einmal, dass ich mit Kindern arbeite. Die Eltern von Paula (der Name ist selbstver-ständlich geändert) meldeten sich in einer Notsituation. Sie und ihre Tochter hatten 3 schlimme Tage hinter sich. Paula klagte plötzlich über Hautjucken am ganzen Körper, was sich derartig intensivierte, dass ihr Vater mit ihr zwei Nächte hintereinander in die Notaufnahme der Kinderklinik fuhr. Dort hatte Paula Medikamente bekommen und wurde wieder nach Hause geschickt. In der 2. Nacht war sie über eine Tropfinfusion mit Medizin versorgt worden. Die Kleine hatte starke Schmerzen, war extrem erschöpft, müde und sehr traurig. Sie vertrug weder Licht noch Geräusche noch andere Reize. Ihre Mutter war den Tränen nah und keiner wusste Rat, denn die Medikamente halfen nicht wirklich. Wie sollte es bloß weitergehen?

Als Paula dann bei mir im Praxisraum saß, haben wir uns erst einmal ganz unverfänglich unterhalten. Sie erzählte mir, was in den letzten Tagen passiert war. Mir fiel sofort auf, dass das Mädchen eine sehr feine, differenzierte Wahrnehmung hat und sehr empfindsam ist. Möglicherweise war sie hochsensibel, so dass ein Teil ihrer Schwierigkeiten damit zusammenhängen konnten. Nach und nach war ihren Schilderungen entnehmen, dass Paula Stress hatte und zwar in der Schule im besonderen mit ihren Matheaufgaben. Die neue Lehrerin, die seit ein paar Monaten unterrichtete, hatte Pauls bereits mehrfach barsch kritisiert, weil ihre Hausaufgaben manchmal nicht vollständig waren oder in ihren Rechnungen einige Fehler waren. Das war bei der alten Lehrerin nicht so. Die hatte immer gesagt, dass es nicht schlimm sei, wenn mal was etwas fehle oder nicht richtig gerechnet worden sei. Paula sagte auch, dass sie eigentlich nichts gegen Mathe habe, gern die Hausaufgaben machen würde und auch richtig rechnen könne, wenn sie nur genügend Zeit dafür hätte.

So befand sie sich in einem inneren Konflikt, etwas zu wollen, was nicht hinzubekommen war. Zudem zeigte sich, wie sehr Paulas Seelenfrieden davon abhing, dass ihre Lehrerin mit ihr zufrieden war. Wie es für Hochsensible typisch ist, braucht Paula ein harmonisches Klima. Sie wollte es sowohl ihren Eltern recht machen, als auch der Lehrerin als auch sich selbst. Ihre hohen Erwartungen an sich wollte sie unbedingt erfüllen. Etwas nicht gut genug machen zu können, war für sie so schwer auszuhalten, dass sie ein Symptom, die Hauterkrankung, entwickeln musste, um auf ihre Not aufmerksam zu machen. Nur hatte bislang noch keiner in ihrem Umfeld die Botschaft ihres Körpers richtig verstanden.

Warum fehlte Paula die Zeit, ihre Hausaufgaben für Mathe zu machen? Wie kommt es, dass heute im Jahr 2015 Grundschüler bereits so stark unter Stress leiden, dass sie ernsthaft krank werden? Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Grundschulzeit. Wir lebten in einem so ruhigen Wohnviertel, dass ich gefahrlos den kurzen Schulweg allein gehen konnte. Ein Tag war so lang wie eine Ewigkeit. Wenn es eins in Hülle und Fülle gab, dann war das Zeit. Ich hatte alle Zeit der Welt zum Spielen. Unvorstellbar, dass Hausaufgaben eine Belastung hätten darstellen können. Ersten hatten wir nur sehr wenig auf und zweitens kann ich mich nicht daran erinnern, dass da irgendetwas Schwieriges dabei war. Heute haben Kinder so viele Termine, dass sie unter Stress leiden. Paula geht in die Nachmittagsbetreuung in der Schule, danach zum Sport, zum Klavierunterricht, zu Treffen mit ihren Freundinnen, einkaufen, usw., usw. Abends ist sie zu müde, um sich auf ihre Hausaufgaben konzentrieren zu können. In der Nachmittagsbetreuung von der Schule ist es zu laut. Es fehlen ihr einfach Zeit, Ruhe und Energie.

„Manchmal ist mir nach Remmidemmi, aber manchmal will ich einfach nur meine Ruhe haben. Dann ist mir alles zu viel,“ sagte sie. Am liebsten hat sie es, wenn Mama UND Papa da sind und die Familie auch mal am Wochenende zuhause bleibt, ohne Besuch zu bekommen. Nur bislang hatte sie sich nicht getraut, dass deutlich zu sagen. Paula glaubte, so sein zu müssen wie die anderen. Sie wollte sich so verhalten, wie alle anderen Kinder. Als Hochsensible kann sie das natürlich nicht. Sie ist viel empfindlicher allen Reizen gegenüber und nimmt wegen ihrer hohen Empfänglichkeit auch permanent viel mehr als andere wahr. Diese Fülle von Reizen will verarbeitet werden, was nicht möglich ist, wenn ständig neue hinzukommen.

In ihrer inneren Not versuchte Paula nun, mit einem Symptom – ihrem Hautproblem – auf ihren inneren Konflikt und ihre Überforderung aufmerksam zu machen. Zum Abschluss unserer Stunde fragte ich sie dann noch, wie das Besprochene auf sie wirke. Paula gestand mir, dass die Sichtweise der Dinge, die wir gerade besprochen hatten, für sie erst einmal sehr fremd sei und bislang noch niemand so etwas zu ihr gesagt habe. Am Leuchten ihrer Augen und ihrer zurückkehrenden Lebendigkeit konnte ich jedoch gut erkennen, dass sie alles bestens verstanden hatte und die neuen Informationen ihr weiterhalfen. Wir haben natürlich noch nach praktischen Lösungsmöglichkeiten gesucht und besprochen, dass sie lieber allein mit ihren Eltern über alles redet.

Das Hautjucken ging in den darauffolgenden Tagen peu á peu zurück. Die Medikamente konnten abgesetzt werden. Und zusammen mit ihren Eltern hatte Paula dann entschieden, einen Nachmittag in der Woche zuhause zu bleiben, um zukünftig mehr Zeit für ihre Mathehausaufgaben zu haben. In den darauffolgenden Ferien entsprachen die Eltern dem Wunsch ihrer Tochter und fuhren nicht weg in den Ferien, sondern blieben mit der ganzen Familie entspannt zuhause.

Ich erzähle Ihnen Paulas Geschichte, um zu zeigen, wie früh wir bereits Stress ausgesetzt sind, welche Folgen Stress haben kann und dass Stress auf einer inneren Einstellung, auf einem INNEREN Konflikt beruht. Sich selbst schädigende Überzeugungen sind dem Betroffenen nicht bewusst. Weil die wahren Gründe nicht bewusst sind, werden Ursachen in der Situation und den Umständen vermutet. Am falschen Ort gesucht, können leider keine Lösung gefunden werden, so dass der Stress chronisch wird.

Sich vom Stress zu befreien, ist möglich.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünsche für viel entspannte Zeit in Ihrem Leben –

Ihre Regine Göttert

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Diesen Text schrieb Dipl. Psych. Regine Göttert © – www.regine-goettert.de – Psychotherapie/Healing/Coaching/Spiritualität.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Christine Kerkdyk

    …eine sehr berührende Geschichte…gut, dass das Kind zu Ihnen kam…..

    1. Lieben Dank Frau Kerkdyk fürs Lesen und Ihren Kommentar – wie heißt es so schön im Rheinland: „Wer spricht, dem kann geholfen werden.“ Ich freu mich, dass Ihnen der Text gefällt, lieben Gruß!

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