Die Freude des Augenblicks leben

Als Kind was eines meiner Lieblingslieder: ‚Froh zu sein, bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König‘. Wenn ich heute an die Textzeile denke, summe ich sofort die passende Melodie dazu. In der Kindheit war es so leicht, sich jedem einzelnen Moment hinzugeben und einfach ins Spielen, Wahrnehmen, Beobachten oder Fühlen einzutauchen. Von der Verantwortung eines Erwachsenenlebens befreit, bestand die ganze Zeit nur aus langen Momenten. Ein einzelner Tag konnte gefühlt sehr lang sein. Z.B. wenn ich auf etwas sehr Schönes gewartet habe, wie sonntags mit Papa auf die Kirmes zu gehen oder mit Mama einen Kuchen zu backen oder schwimmen zu gehen. Von Weihnachten ganz zu schweigen.

Heute beobachte ich häufig, wie abgelenkt Menschen wirken und geradezu abwesend erscheinen. Sie telefonieren beim Gehen, Radfahren, Einkaufen und der Hausarbeit. Sie hören Musik bei ihrer Arbeit am Bildschirm. Sie schauen Fernsehen beim Kochen oder Essen und schreiben SMS oder blättern in Zeitschriften, während sie Gespräche führen. Multitasking ist modern. Verschiedene Dinge gleichzeitig oder schneller zu erledigen und die Pausen wegzulassen, liegen im Trend.

Immer häufiger sprechen Psychologen in diesem Zusammenhang von der neu diagnostizierten Eilkrankheit. Die Folgen und Symptome sind vielfältig wie z.B. Schlafprobleme, Konzentrationsschwäche und Neigung zum Grübeln. Manchen Menschen ist es gar nicht mehr möglich, sich ein bis zwei Stunden am Stück auf eine Sache zu konzentrieren.
Oft interessieren sich Betroffene mehr für die Quantität als für die Qualität ihrer Erlebnisse. Und wenn es nicht darum geht, ein Ziel zu erreichen, erscheinen diese Aspekte des Lebens für sie uninteressant.

Doch wer kennt das nicht? Während wir gerade noch mit etwas beschäftigt sind, denken wir schon darüber nach, was wir als nächstes tun werden. Oder wir sind mental in etwas ganz anderes verwickelt, als unsere Hände gerade erledigen. Wir denken bei Routinetätigkeiten über ein Erlebnis vom gestrigen Tag nach oder überlegen uns ein passendes Geburtstagsgeschenk für die Party eines Freundes am kommenden Wochenende.

Auf diese Weise mehrfach belastet und häufig abgelenkt zu sein, ist sehr anstrengend und erzeugt das Gefühl, Stress zu haben oder gestresst zu sein.

Doch was ist der wahre Grund dafür, sich selbst so anzutreiben? Warum machen wir so viel? Warum erledigen wir so vieles gleichzeitig, immer schneller und ohne richtige Pausen? Warum sind wir oft gedanklich und emotional ‚ganz woanders‘?

Oder spüren Sie beim Spazierengehen Ihre Fußsohlen im Kontakt mit der Erde unter Ihren Füßen? Sehen Sie die sanfte Bewegung der Blätter im Baum am Straßenrand bei einem Windhauch? Riechen Sie das Kaffeearoma, wenn Sie sich eine Tasse Cappuccino zubereiten? Hören Sie die Straßengeräusche, das Hundebellen oder Vogelgezwitscher bewusst?

Was lenkt uns davon ab, mit unseren Gedanken und Gefühlen bei dem zu sein, was wir gerade tun – im eigenen Körper und im gegenwärtigen Moment? Denn wenn Denken, Fühlen und Handeln eine Einheit bilden, fühlen wir uns entspannt, im Frieden und voller Freude. An die Vergangenheit zu denken, kann traurig machen und an die Zukunft zu denken, Angst erzeugen.

Meiner Erfahrung nach ist es unaufgelöster, alter Schmerz – oft aus Kindertagen oder anderen unbearbeiteten Erfahrungen, die verletzt haben. Die unbewältigten inneren Konflikte erzeugen Druck und innere Anspannung, die es irgendwie ungemütlich im eigenen Körperzuhause erscheinen lassen. Das treibt mental an und lenkt emotional ab.

Wenn Sie also das Gefühl haben, gerade in einer Phase zu sein, in der Sie Ihre innere Ruhe und Ausgeglichenheit verloren haben, verstehen Sie es, als würde ein Wecker klingeln. Die innere Unruhe, die davon ablenkt, die Freude des Augenblicks zu leben, ist ein Zeichen, das verstanden und gehört werden möchte und dazu aufruft, etwas zu verändern.

Was hilft Ihnen dabei, den Augenblick zu leben und zu genießen? Schreiben Sie hier im Kommentar, wie es Ihnen damit geht. Haben Sie Tricks, um die Gegenwart zu erleben oder sich nicht ablenken zu lassen?

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